Nationales Untersuchungsprogramm

Untersuchung auf erbliche Augenkrankheiten - Richtlinien und Bestimmungen

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Die regelmäßige Vorsorgeuntersuchung auf erbliche Augenerkrankungen nimmt inzwischen bei vielen Rassehunden einen festen Platz bei der Bekämpfung erblicher Krankheiten ein. Sinn und Zweck dieser Untersuchung ist es, erbliche Augenerkrankungen festzustellen. Dies dient der Gesunderhaltung der Rasse und des einzelnen Individuums.

Es besteht ein Unterschied zwischen dem Begriff ”erblich” und dem Begriff ”angeboren”. Eine Erkrankung oder ein Mangel kann angeboren, d.h. vom Zeitpunkt der Geburt an vorhanden sein, muss damit aber nicht unbedingt erblich sein. Eine Erkrankung ist dann erblich, wenn die Veranlagung die Krankheit zu entwickeln von den Elterntieren auf die Nachkommen übertragen wird. Erbliche Erkrankungen können angeboren sein oder aber erst zu einem späteren Zeitpunkt im Leben des Tieres auftreten. In Einzelfällen ist es nicht möglich, eine Aussage darüber zu machen, ob eine Veränderung/Erkrankung erblich ist oder nicht.

Anatomie des Auges

Das Auge ist ein Hohlorgan mit einer festen dreischichtigen Augenwand. Das Auge wird von dem Ober- und dem Unterlid eingerahmt. Der Hund hat, wie viele Säugetiere, ein drittes Augenlid (Nickhaut), das wie eine Falte in der Bindehaut im unteren Bereich des Auges zu finden ist. Im vorderen Bereich wird das Auge durch die durchsichtige Hornhaut, die wie eine ”Glaskuppel” wirkt, begrenzt.

(aus Walde/Schäffer/Köstlin: Atlas der Augenerkrankungen bie Hund und Katze, 2. Auflage, Schattauer Verlag, Stuttgart)

Im inneren Auge kann man durch die Hornhaut die Iris (Regenbogenhaut) mit der Pupille, die eigentlich ein Loch in der Iris ist, erkennen. Die Pupille zieht sich bei hellem Licht zusammen und regelt so den Lichteinfall in das Auge. Die Iris und die Pupille sind mit der Blende einer Kamera vergleichbar. Die Farbe der Iris kann bei den einzelnen Hunden variieren und hängt auch mit der Fellfarbe zusammen. So gibt es z.B. Hunde, die eine blaue oder eine braune oder auch eine zweifarbige Iris haben. Hinter der Iris liegt die normalerweise durchsichtige Linse, die mit für das ”Scharfsehen” verantwortlich ist. Hinter der Linse befinden sich der Glaskörper und der Augenhintergrund mit der Netzhaut und ihren Nervenzellen, die zum Sehen notwendig sind. Der Augenhintergrund ist abhängig von Alter, Rasse, Augen- und Fellfarbe individuell verschiedenartig ausgeprägt, so dass er im weitesten Sinne mit einem ”Fingerabdruck” verglichen werden kann. All diese Strukturen können auch von erblichen Erkrankungen betroffen sein. Beispielsweise spricht man bei Trübungen der normalerweise glasklaren Linse von einem grauen Star (Katarakt). Eine erbliche Erkrankung der Netzhaut ist die PRA (Progressive Retina Atrophie), die zur vollständigen Erblindung führt. An den Lidern können zusätzliche Härchen (Distichiasis), ein eingerolltes Lid (Entropium) oder ein hängendes Lid (Ektropium) auftreten.

Erbliche Augenerkrankungen

Bei den erblichen Augenerkrankungen gibt es einige ”rassetypische” Krankheiten, die überwiegend bei entsprechenden Hunderassen auftreten. Die meisten der erblichen Augenerkrankungen sind nicht rassetypisch, sondern können jede Rasse bzw. jeden Hund und somit natürlich auch Mischlingshunde betreffen. Nahezu alle der erblich bedingten Augenerkrankungen können bei den betroffenen Tieren zu Schmerzen und/oder zur Erblindung führen. In einigen Fällen ist keine medizinische Hilfe möglich, so dass für den Erhalt einer gesunden Rasse eine Vorsorgeuntersuchung hinsichtlich der erblichen Augenerkrankungen sinnvoll und ratsam ist.

Aus den vorhergegangenen Ausführungen wird ersichtlich, wie komplex und speziell sich das Thema der erblichen Augenerkrankungen und natürlich deren Beurteilung beim einzelnen Hund darstellt.

Untersucher

Es ist sinnvoll, die Vorsorgeuntersuchung auf erbliche Augenerkrankungen von erfahrenen und speziell in diesem Bereich fortgebildeten Tierärzten durchführen zu lassen.

In Europa gibt es in vielen Ländern Gremien (Panels) von erfahrenen Augenspezialisten, die diese Untersuchung routinemäßig durchführen. Das deutsche Panel ist der Dortmunder Kreis (DOK - Gesellschaft für Diagnostik genetisch bedingter Augenerkrankungen bei Tieren e.V. (www.dok-vet.de). Die meisten deutschen Rassezuchtverbände lassen die Augenuntersuchungen von DOK Mitgliedern durchführen. Die Untersuchungsrichtlinien sind europaweit in Anlehnung an die Vorgaben des European College of Veterinary Ophthalmologists (ECVO) erstellt worden.

Der Untersuchungsbogen

Bevor der Tierarzt mit der Untersuchung beginnt, wird der Untersuchungsbogen durch den Tierarzt oder seinen Vertreter bis auf die Ergebnisse der Untersuchung komplett ausgefüllt. Hierfür ist das Vorliegen der Ahnentafel des Hundes notwendig.

Im oberen Bereich des Untersuchungsbogens werden die Daten des Hundes, des Eigentümers und stattgefundene Untersuchungsergebnisse eingetragen. Der Eigentümer oder dessen Vertreter bestätigt und unterschreibt vor der Untersuchung die Richtigkeit der Eintragungen, sein Einverständnis mit den Bestimmungen des nationalen Untersuchungsprogramms und dass die Untersuchungsergebnisse für eine Veröffentlichung oder andere wissenschaftliche Verwendungen zur Verfügung stehen. Vor der Untersuchung wird der Hund anhand seiner Mikrochipnummer identifiziert. Die Kontrolle der Mikrochipnummer wird ebenfalls in entsprechenden Feldern vermerkt. Seit Mai 2015 werden die Daten ausschließlich elektronisch erfasst und auf Antrag des jeweiligen Zuchtvereis auch direkt online übermittelt. Der Besitzer erhält nach wie vor einen Papierausdruck.

Die Untersuchung

Die Untersuchung auf erbliche Augenerkrankungen ist für den Hund weder schmerzhaft noch belastend. Beim gesunden Hundeauge zieht sich die Pupille bei Lichteinfall zusammen, so dass die Anteile des Auges im hinteren Bereich (Linse, Glaskörper, Netzhaut) nicht mehr ausreichend beurteilt werden können. Zu Beginn der Standarduntersuchung werden die Iris und die Pupillenfunktion stets vor der Verabreichung der pupillenerweiternden Tropfen mit einer Spaltlampe untersucht, sodann erfolgt die Gabe der Augentropfen zur Pupillenerweiterung. Nach DOK Statuten ist die Spaltlampenuntersuchung vor der medikamentellen Weitstellung der Pupille bei allen Rassen und vor jeder Untersuchung obligat.

Bis die Tropfen eine ausreichende Wirkung erzielen, vergehen ca. 20-30 Minuten. Der Besitzer kann während der gesamten Untersuchung bei seinem Tier bleiben. Beide Augen werden mit Hilfe der Spaltlampenbiomikroskopie und der indirekten Ophthalmoskopie untersucht. Die Untersuchung findet in abgedunkelter Umgebung statt, damit einfallende Lichtreflexe im Auge den Untersucher nicht stören. Alle pathologischen Befunde sollten, wenn möglich, fotografisch dokumentiert werden. Die Weitstellung der Pupille dauert in der Regel 2 Stunden an, beeinträchtigt den Hund aber nicht in dem Maße wie das bei Menschen der Fall ist. Er sollte aber in dieser Zeit keinem grellen Licht ausgesetzt werden. Die zeitlichen Abstände der Untersuchungen betragen in der Regel 12 Monate. Ausnahmen kann es geben, wenn der untersuchende Tierarzt eine frühere Kontrolluntersuchung für notwendig erachtet. Einige Rassezuchtvereine haben eigene zeitliche Vorgaben für die Untersuchungen.

Gonioskopie (fakultativ oder obligat nach den Bestimmungen des jeweiligen Zuchtvereins)

Die Gonioskopie (Untersuchung des Kammerwinkels) wird bei den folgenden Hunderassen ebenfalls vor der Weitstellung der Pupille durchgeführt. Die Liste kann sich den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechend ändern.

  • American Cocker Spaniel
  • Basset (alle)
  • Bloodhoud
  • Bolonka zwetna
  • Border Collie
  • Bouvier
  • Chow Chow
  • Dandie Dinmont Terrier

  • Elo
  • English Springer Spaniel
  • Entlebucher Sennenhund
  • Flat Coated Retriever
  • Golden Retriever
  • Holländischer Schäferhund (rauhhaar)
  • Leonberger
  • Magyar Viszla
  • Samojede
  • Siberian Husky
  • Tamaskan (wenn Siberian Husky im Erbgut)
  • Tatrahund (Polski Owczarek Podhalanski)

Ergebnisse

Nach erfolgter Untersuchung werden die Ergebnisse in den Untersuchungsbogen eingetragen. In der linken Spalte werden angeborene Erkrankungen vermerkt. Bei sehr geringen Anzeichen kann das Untersuchungsergebnis: „zweifelhaft” lauten. In die rechte Spalte werden Krankheiten eingetragen, die sich im Laufe des Lebens entwickeln und verändern können. Bei sehr geringen Anzeichen lautet das Ergebnis daher:  „vorläufig nicht frei”. Es wird gleichzeitig ein Zeitabstand für die Nachuntersuchung eingetragen.

Wichtig ist hierbei, dass es sich ausschließlich um Befunde handelt. Die sich daraus ergebenden züchterischen Konsequenzen liegen im Aufgabenbereich des jeweiligen Zuchtvereins / -verbandes.

Das Ergebnis erhält der Besitzer in Form eines Papierbogens, die Nationale Erfassungsstelle des DOK online, der Zuchtverband (als Papierbogen per Post oder online) und ein Exemplar verbleibt beim untersuchenden Tierarzt.

Obergutachten

 

Anträge auf Obergutachten sind schriftlich an den DOK-Vorstand zu richten. Vorhergehende Befunde sind in Kopie beizufügen. Die Vorprüfung der Unterlagen erfolgt in der nationalen Erfassungsstelle des DOK (Adresse siehe www.dok-vet.de). Obergutachten werden in der Regel zweimal im Jahr vorgenommen, und zwar auf den Europasieger- und Bundessiegerzuchtschauen in Dortmund. In Fällen, die aufgrund einer zeitlichen Vorgabe (z.B. Untersuchung von Welpen vor der 9. Lebenswoche), eines zeitnahen Obergutachtens bedürfen können außerordentliche Obergutachtentermine an einem anderen Standort eingerichtet werden. Zu den entsprechenden Terminen (www.dok-vet.de) werden jeweils drei erfahrene Untersucher vom DOK als Obergutachter benannt, die gemeinsam das Obergutachten erstellen. Der oder die voruntersuchenden DOK-Mitglieder sind am Obergutachten nicht beteiligt, werden aber im Anschluss über das Verfahren informiert. Obergutachten, die aufgrund unterschiedlicher Befunde von DOK-Mitgliedern oder auf Antrag eines DOK-Mitgliedes zustande kommen, sind für den Tierbesitzer kostenlos. Für Obergutachten, die auf Antrag eines Tierbesitzers vorgenommen werden, wird eine Gebühr erhoben. Das Ergebnis des Obergutachtens ist bindend.

Untersuchung von Welpen

Bei bestimmten Rassen gibt es erbliche Augenerkrankungen welche in geringer Ausprägung nur in den ersten Lebenswochen sichtbar sind. Aus diesem Grund werden Welpen von betroffenen Rassen bis zur 8. Lebenswoche untersucht. Die Welpen müssen zu diesem Zeitpunkt gekennzeichnet sein. Wenn zu dem Zeitpunkt der Untersuchung noch keine Ahnentafel für den einzelnen Hund verfügbar ist, muss ein Wurfschein oder ein vergleichbares Dokument vorliegen, aus dem das Geburtsdatum und die Anzahl der Welpen sowie die Elterntiere hervorgehen.